09. August 2016

Wohngefühl statt leere Büros

Viele Immobilienbesitzer sitzen auf leer stehenden Büroräumen. In der Schweiz sind über 2 Millionen Quadratmeter Bürofläche zur Miete ausgeschrieben. Experten sind sich einig: Die Lage wird sich weiter zuspitzen. Eigentümer entschliessen sich deshalb immer öfter, Büros in Wohnungen umzubauen.

«Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren immer mehr Umnutzungen von Büroflächen sehen», sagt Martin Bernhard, Leiter Research beim Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang La Salle. Er erwartet, dass vor allem in Genf und Zürich die Leerstände steigen werden. «Im Raum Zürich stehen auch viele neue Büros leer. Das ist besonders schlimm, und es wird die Preise unter Druck bringen.»

Die Pipeline mit Bauprojekten fülle sich angesichts des Anlagenotstands weiter, sagt Fredy Hasenmaile, Immobilienexperte der Credit Suisse. «Es ist ein Teufelskreis. Weil die Renditen neuer Büroliegenschaften im Tiefzinsumfeld attraktiv sind, wird weiter gebaut. Das sorgt für Leerstände bei älteren Bürogebäuden.» Die niedrigen Renditen bei Obligationen sorgten dafür, dass sehr viel Geld in den Immobilienmarkt fliesse, sagt Hasenmaile. «Durch den Brexit dürfte sich das noch verstärken.»

Bisher lautete bei den Eigentümern die Devise, auf bessere Zeiten zu warten. Doch langsam dämmert ihnen, dass sie ein dauerhaftes Problem haben. «Die Frage ist, wie lange ein Immobilienbesitzer Leerstände akzeptieren will. Es zeigt sich, dass nun immer öfter die Schmerzgrenze erreicht wird», sagt Christian Kraft, der Leiter Beratung des Immobilienkonzerns Implenia. Auch er erwartet deshalb mehr Umnutzungen. Er sehe derzeit ein reges Interesse am Thema.

Für Wohnungssuchende sind das gute Nachrichten. In vielen Städten ist die Wohnungsnot gross. Doch die Umnutzung von Büros in Wohnungen ist vorerst nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Noch ist ihre Zahl zu gering, um die Wohnungsnot wirklich zu lindern.

Obwohl Experten eine klare Zunahme der Umnutzung von Büro- in Wohnraum erwarten, gibt es auch Hindernisse. Nicht jedes Bürogebäude eignet sich zur Umnutzung. Die Lichtverhältnisse und die Raumhöhen müssen stimmen. Auch die Lage ist entscheidend. Ein Umbau kostet rund 2000 Franken pro Quadratmeter. Ob sich eine solche Investition lohnt, hängt stark vom Standort ab. Ein Gebäude an einer lärmigen Strasse mag als Geschäftssitz funktionieren, als Wohnhaus weniger.

Laut Christian Kraft von Implenia sollten Immobilienbesitzer beim Umbau Alternativen in Betracht ziehen. Beispielsweise studentisches Wohnen, Business Apartments, Cluster-Wohnungen, eine Art Wohngemeinschaft oder Hotels. Grossraumbüros lassen sich oft einfacher in solche kleineren Wohneinheiten verwandeln als in herkömmliche Wohnungen. Potenzial für solche Projekte sieht Kraft vor allem in Zürich, aber auch in Basel und Genf.

 

Wenn nur die Strasse nicht wäre: Der ehemalige Hauptsitz der Post. Foto: Keystone